Erkenntnisse beim Radlagerwechsel

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Letzter Fuffziger
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Erkenntnisse beim Radlagerwechsel

Beitragvon Letzter Fuffziger » Do 23. Jun 2011, 16:27

Hallo zusammen,

wenn das Hinterrad schabende Geräusche von sich gibt, oder der TÜV-Prüfer laut aufheult, kann das einen baldigen Wechsel der Radlager nach sich ziehen. Dabei habe ich so manche Entdeckung gemacht:

1. Erkenntnis:
es gibt Teile, die gibt's gar nicht.
So habe ich tatsächlich hinten beim Abnehmen der Räder Spurverbreiterungen (!!) vorgefunden: Aluring mit 1 cm Stärke und den Bohrungen für Lochkreis und Trommelbefestigung, natürlich entsprechend längere Rad- und Befestigungsschrauben.
Gab's hierfür eine Werksempfehlung oder ist das wieder einmal ein Peschel-Patent?

breiter.JPG


2. Erkenntnis:
die Abnahme der Radaufnahmen ist viel einfacher als beschrieben. Nach Entfernen der Räder ...

...vorne Bremsleitung von Schlauch trennen. Kronenmutter der Achsstummel außen lockern, leicht aufdrehen, aber auf dem Gewinde belassen.
Vier Befestigungsschrauben für Radnabe an Achsschenkel ein paar Umdrehungen rausdrehen.
Von außen mit Gummihammer oder Hammer mit untergeglegtem Kantholz den Achsstummel nach innen drücken und dadurch lockern.
Dann erst Kronenmutter und Befestigungen ganz entfernen und Radnabe mit Bremsvorrichtung komplett abnehmen.
Vorteil: das "Schlammcatchen" mit 200g Fettfüllung in der Lenkkopfmanschette reduziert sich erheblich. Das Trennen der Halbachsen entfällt.
Bei der Montage genügt ein Hinein-Dirigieren mit der Antriebswelle, das komplette Einziehen übernimmt die Kronenmutter.
Anmerkung: bei den "untrennbaren" homokinetischen Wellen ist dies wohl ohnehin die Methode der Wahl.

...hinten das Handbremsseil NICHT entfernen, sondern nur die Bremsleitung aus dem Radbremszylinder herausschrauben (oder auch am Schlauch trennen) und einfach die komplette Radeinheit von der Kurbelachse abschrauben man spart sich das lästige Aushängen und spätere Einstellen der Handbremse.
Ich habe die Bremstrommel abgenommen, als Stütze umgedreht wieder angeheftet, nur die Spezialschaube aufgeklopft - hier hilft die Bremstrommel beim Gegenhalten - und die Nabe vor Ort getrennt.

Öffnen.JPG


3. Erkenntnis:
ein selbstgebauter Abzieher bringt's.
Besteht bei mir aus kräftiger Metallplatte mit zentrischer glatter (!) Bohrung für Schraube 16x1,25 mit Kontermutter
und Lochkreis entprechend der Nabenbefestigung mit Schaftschrauben M10 10er Zugfestigkeit + je 2 Muttern
Dazwischen kommt noch ein Messing-Rundstück 32 mm

Abzieher.JPG

Vorteil: beim Abziehen kann an der Mutter unter der Platte gegengehalten werden, man braucht nichts einzuspannen.
Damit kann eben auch die Bremsplatte am Handbremsseil verbleiben,
Radflansch und Nabe können zum Reinigen u. Lagerwechsel mitgenommen werden. Aus der Nabe lassen sich die Lager gut austreiben, wenn der Abzieher gleich dranbleibt. Stempel wegnehmen und das ganze auf den Kopf stellen, dass die Nabe oben auf den vier Schrauben aufsitzt. Die Lager ohne zu verkanten jeweils nach unten austreiben.
Sollte das Außenlager auf dem Flansch sitzen bleiben, zuerst darunter den Simmering krallen und nach einer Seite kräftig herausziehen bis er in dieser verbogenen Lage verbleibt. Dann erst mit feinem Meißel oder Seitenchneider samt der Metalleinlage auftrennen, damit die Anlaufflächen nicht beschädigt werden.
Anschließend ist unter dem Lager genügend Platz, um einen Krallenabzieher geeigneter Größe einzuhängen.

Nach dem Lagerwechsel werden hintere Nabe und Radflansch mit der Bremsplatte dazwischen auch wieder vor Ort zusammengedrückt (Kanthölzer, Hammer).
Nicht vergessen: alle Bremsleitungen wieder sauber verbinden und entlüften!

4. Erkenntnis
es gibt offenbar gewisse Toleranzen in der Weite der Lagersitze. Eine meiner Naben war hier so eng, dass sich das innere Lager nur zäh drehen ließ. Ich habe sie testhalber trotzdem mal eingebaut, und siehe, nach einer Fahrt ohne Radkappen kam der Radflansch mit deutlich höheren Temperaturen daher als die übrigen - nicht mehr dauerhaft anzufassen! Interessanterweise war das zuvor schon das Rad mit dem vorgefundenen stärksten Verschleiß der alten Lager! Also darauf achten, dass die Innenringe der eingebauten Lager sich annähernd widerstandslos drehen lassen!

5. Erkenntnis
Einbau von doppelt geschlossenen Lagern ist keine Verbesserung. Habe ZZ-Lager ohne Fettfüllung im Zwischenraum vorgefunden, und bin auch nicht überzeugt, dass eine Schmierung die Lager ausreichend versorgt, wenn eine innere Abdeckung im Weg ist. Meine Arabella hat jetzt wieder nur außenseitig geschlossene Lager und die geforderte Fettlage dazwischen.

Tip für Lagersätze: fag-shop@web.de; die 8 Lager (FAG-Markenlager) je 4 Stck. 6008 und 6207 kosten in Ausführung Z (Stand 01.05.11) 75,50 + 4 EUR Versand
Die 4 Simmeringe 55x70x8 WA oder WAS habe ich beim ebay-Anbieter tusnelda44 für gesamt 14 + 2,20 EUR Vsd. bekommen.
Achtung! Evtl. zwischen Druckringen und Radflansch die Rundschnurringe (nachträgliche Maßnahme von Llloyd) erneuern: 4 Stck. 38 x 2,5

6. und wichtigste Erkenntnis.
"silence is golden" oder "Du erkennst Dein Auto nicht mehr wieder!"

Hoffe für derartige Aktionen in Zukunft Zeit gespart zu haben!
Mit grünen Arabella-Grüßen

Manfred
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Zuletzt geändert von Letzter Fuffziger am Sa 25. Jun 2011, 13:27, insgesamt 4-mal geändert.
Was ich anfange, bringe ich auch zue

borgideluxe
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Re: Erkenntnisse beim Radlagerwechsel

Beitragvon borgideluxe » Do 23. Jun 2011, 19:53

Toller Beitrag Manfred.

Gruß

Joachim

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Letzter Fuffziger
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Re: Erkenntnisse beim Radlagerwechsel

Beitragvon Letzter Fuffziger » So 24. Jul 2011, 13:04

Hinweis aus einem Kundendienstschreiben (Oktober 1960), das mir gerade in die Hände kommt:

1.
Bei den hinteren Rädern die Auflageflächen zwischen Kurbelachse und Radflansch mit Gehäusedichtmasse einstreichen, um Eindringen von Wasser in die Radnaben und Korrosion zu verhindern.

2.
Bei Bedarf jeweils statt des inneren Z-Lagers beidseits offenes Lager verwenden, wenn der Wellendichtring trocken läuft und quietscht.
Anmk.
Das ist wohl nur als letzte Maßnahme für nervige Kunden zu verstehen, wir dürfen aber den Hinweis entnehmen, dass man die Wellendichtringe nicht auf vollständig entfettete Wellen montiert, sondern ein hauchdünner Fettfilm im Bereich der Dichtlippe durchaus erwünscht ist.
Was ich anfange, bringe ich auch zue

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Re: Erkenntnisse beim Radlagerwechsel

Beitragvon Letzter Fuffziger » Fr 5. Aug 2011, 10:47

Hallo zusammen,

jetzt ist auch klar, warum die Distanzringe auf den hinteren Trommeln verbaut sind: ohne streift der Reifengummi grade so am oberen (Schutz-) Rohr des Dämpfers an.
Entweder sind die Gürtelreifen etwas breiter in den Flanken oder es wurden Ersatztypen von Dämpfern verbaut oder beides.
Dann kommen die halt wieder rein. Ist schließlich lange genug problemlos so gefahren.

Manfred
Was ich anfange, bringe ich auch zue


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